Studie: Digitalradio DAB+ schon in 15 Jahren am Ende?
Der Verband Schweizer Privatradios (VSP) hat eine Studie veröffentlicht, in der unter dem Titel "Perspektiven 2035+" die langfristigen Entwicklungspotenziale wichtiger Verbreitungsvektoren für Radio und Audio untersucht werden. Publiziert wurde die Studie vom VSP zusammen mit der Convergent Media in Wien und dem Netzbetreiber Swiss Media Cast AG in Zürich.
Die Ergebnisse der Studie sollen insbesondere den Verantwortungsträgern in der Radiobranche helfen, die Schwerpunkte ihrer Investitionsentscheidungen richtig zu setzen.
Schlechte Langzeit-Chancen für DAB+
Die Studie sieht das mögliche Aus für DAB+ im Jahr 2040
Bild: Ruoss AG
In der Schweiz soll der analoge UKW-Funk im Jahr 2026 abgeschaltet werden. Geht es nach der Studie, wird der digitale Nachfolger DAB+ aber nur zu einer Brückentechnologie in einem begrenzten Zeitraum. Der DAB+-Nutzungsanteil bei der Verbreitung sei bereits heute gesättigt oder werde es sehr bald sein. Die Studie geht davon aus, dass es schon ab dem Jahr 2025 bei den Eidgenossen mehr Menschen geben wird, die über Internet Radio hören als über DAB+. Danach wird sich der Anteil am terrestrischen Digitalradio laufend reduzieren. Laut einem für den Rundfunk pessimistischen Szenario wird dieser bis zum Jahr 2040 völlig verschwunden sein, ein optimistischeres Szenario geht davon aus, dass im
Jahr 2040 noch zehn Prozent Radio über Antenne hören.
Gleichzeitig nehme der Nutzungsanteil der nicht-linearen Radionutzung in Zukunft, insbesondere bei den jungen Altersgruppen, stark zu. Parallel wird immer weniger linear Radio gehört. Ab dem Jahr 2035 werde mehr Radio non-linear, also auf Abruf, genutzt als klassisch Live-Radio gehört.
Schluss mit Radio ohne Gatekeeper
Radio bald nur noch übers Internet?
Fotos: Apple, Logo: TuneIn, Montage: teltarif.de
Treten die Ergebnisse dieser Studie tatsächlich so ein, bedeutet es aber auch, dass der Zugang zum Medium Radio nicht mehr kostenlos möglich sein wird. Um den Hörfunk zu nutzen, braucht es zwingend einen Internetanschluss, für die Nutzung unterwegs zudem einen Mobilfunkvertrag. Die Studie geht jedoch davon aus, dass regulatorische Maßnahmen getroffen werden, die den Zugang zum Internet erleichtern und dass in Fahrzeugen dieser Standard sein wird.
Gerade für das mobile Radiohören im Internet gab es zuletzt in Deutschland eher eine gegenteilige Entwicklung durch den Wegfall von Zero-Rating-Angeboten, die unbegrenztes Streaming ohne Drosselung der Geschwindigkeit beim Internetzugang erlaubten. Echte Flatrates ohne Datendrosselung sind teuer und kosten nicht selten über 100 Euro im Monat. Hinzu kommt das Problem der Versorgung. Noch immer sind zahlreiche, vor allem unbewohnte Regionen ohne Mobilfunkversorgung. Werden tatsächlich alle Rundfunksender abgeschaltet, gäbe es hier keinen Hörfunk mehr.
Generell muss zudem kritisch gesehen werden, dass der Zugang zum Radio künftig also ohne Gatekeeper in Form von Internet- oder Mobilfunkanbietern nicht mehr möglich sein wird. Und ob ausschließlich über Mobilfunk oder Internet eine Versorgung der Bevölkerung in Krisenfällen noch gewährleistet ist, darf bezweifelt werden. Denn die Flutkatastrophe im Ahrtal hatte gezeigt, dass die Mobilfunknetze als erstes ausgefallen waren, während die Rundfunksender am Netz geblieben sind.
Radiobranche braucht IP für attraktive Geschäftsmodelle
Die Radiobranche wird sich allerdings über die Ergebnisse der Studie freuen. Schon heute sehen viele private Radiomacher die Zukunft des Radios im Internet, vor allem wegen der Möglichkeit, Inhalte und vor allem Werbung personalisiert zu verbreiten. Man darf also die Frage in den Raum stellen, ob bei der Studie dies nicht auch entsprechend berücksichtigt und "nachgeholfen" wurde.
Eine Studie des Unternehmens Goldmedia prognostizierte schon im Jahr 2018 einen ähnlichen Siegeszug des Internetradios, ohne dass dieser jedoch bisher in dieser Form eingetreten ist.